Der österreichische Kaiser als Bauherr
Von 1733 bis 1739 wurde unter Baumeister Joseph Amann aus Bludenz ein neues Pfarrhaus mit dazugehörigem Stall erbaut. Es sollte die bisherige Pfarrwohnung ersetzen, die sich in einem äusserst schlechten Zustand befand.
Die lange Bauzeit ergab sich, weil unklar war, wer für die Kosten aufkommen sollte. Schliesslich einigte man sich darauf, dass die Gemeinde Frondienste leistete, der österreichische Kaiser aber für die übrigen Kosten aufzukommen hatte. Denn dieser hatte als Besitzer der Burg Gutenberg in Balzers zugleich die Patronatsrechte der Pfarrei inne; dies bedeutet, dass er unter anderem die Pflicht hatte, ein Pfarrhaus instand zu halten.
Dorfbrand und Wiederaufbau
Beim Dorfbrand vom 22. Oktober 1795 wurden über dreissig Häuser und ebenso viele Scheunen sowie Pfarrkirche, Pfarrhaus und Pfarrstall zerstört. Drei Menschen fanden in den Flammen den Tod, 40 Familien wurden obdachlos.
Der damalige Pfarrer, Johann Joseph Mähr, drängte auf einen sofortigen Wiederaufbau von Pfarrkirche und Pfarrhof. Aber erst nach jahrelang sich hinziehenden Verhandlungen mit den kaiserlichen und liechtensteinischen Beamten über die Kostenverteilung sowie den Kriegswirren von 1799, konnte endlich im Jahr 1804 mit den Wiederaufbauarbeiten begonnen werden.
Die Pläne dazu erstellte Franz Barraga, Direktor des k.k. Bauamtes in Innsbruck; verantwortlicher Baumeister war Franz Ferdinand Weirather aus Feldkirch. Beim Pfarrhaus konnten sie sich am Vorgängerbau orientieren, weil das Gewölbe und das Mauerwerk den Brand überstanden hatten.
Wohnung des Pfarrers
1810 war das Pfarrhaus wieder bezugsbereit und bis 1967 erfüllte es dann wieder seine Aufgabe als Wohnung des Pfarrers und seiner Bediensteten, danach diente es bis 1979 als Wohnung des Kaplans. Seit Bestehen des Gebäudes lebten 31 Geistliche darin.
Unter Denkmalschutz
Das alte Pfarrhaus und der alte Pfarrstall wurden von 1975 bis 1977 unter Architekt Hans Rheinberger umfassend renoviert und 1976 unter Denkmalschutz gestellt.
Sitz des Dekanats Liechtenstein
Franz Näscher, der von 1975 bis 1979 Kaplan in Balzers war, wurde 1978 zum Dekan gewählt. Das alte Pfarrhaus war somit bis zum Wegzug Näschers 1979 nach Vaduz auch Sitz des Dekanats Liechtenstein. Es fanden hier zahlreiche Sitzungen des Dekanats, des Seelsorgerats der Diözese Chur, des Balzner Pfarreirats sowie Treffen des Blaurings und der Jungmannschaft statt.
Dritte-Welt-Laden
Der Verein «Welt und Heimat» eröffnete im September 1978 im alten Pfarrhaus eine kleine Filiale des Dritte-Welt-Ladens in Eschen.
Arbeitsstelle für Erwachsenenbildung und für Jugendarbeit
Das Dekanat eröffnete 1979 die Arbeitsstellen für Erwachsenenbildung und für kirchliche Jugendarbeit. Beide hatten ihren ersten Sitz bis 1981 im alten Pfarrhaus. Erste Leiter waren Werner Hasler bzw. Ludwig Frommelt.
Depot der Ferdinand-Nigg-Stiftung
In der ersten Hälfte der 1980er-Jahre belegte die «Professor Ferdinand Nigg Stiftung» ein Zimmer des alten Pfarrhauses als Depot für ihre Sammlung. Es wurden darin Werke aus dem künstlerischen Nachlass von Ferdinand Nigg (1865–1949), Künstler, Kunstgewerbelehrer und dem liechtensteinischen Repräsentanten der Kunstgeschichte der Moderne Anfang des 20. Jahrhunderts, aufbewahrt.
Ausserdem zeigte die Stiftung in Zusammenarbeit mit der Kulturkommission in der Adventszeit 1985/86 im alten Pfarrhaus eine Ausstellung mit Werken zu Ferdinand Nigg.
Wohnung für Salettiner-Patres
Während der Umbauphase des Hauses Gutenberg 1983 bis 1985 fand die Gemeinschaft der Salettiner-Patres im alten Pfarrhaus eine vorläufige Wohnung.
Sitz der Gemeindeverwaltung
Von 1986 bis 1987 wurde das Gemeindehaus umgebaut und erweitert. Während der Umbauarbeiten wurden die Büros der Gemeindekanzlei ins alte Pfarrhaus verlegt. Auch der Gemeinderat tagte hier eineinhalb Jahre.
Wohnhaus für tibetische Flüchtlinge
1993 überquerten achtzehn tibetische Flüchtlinge die liechtensteinische Grenze und suchten um politisches Asyl an. Die Betreuung der Flüchtlinge übernahmen zunächst Privatpersonen, zusammen mit dem Verein «Tibet-Unterstützung Liechtenstein». Die Gemeinde Balzers stellte den Flüchtlingen von 1994 bis 2002 das alte Pfarrhaus als Wohnhaus zur Verfügung, um die prekäre Wohnsituation zu entschärfen. 1998 fiel schliesslich der Entscheid, dass die tibetischen Flüchtlinge in Liechtenstein bleiben konnten. Dies eröffnete neue Perspektiven und veranlasste, dass die Familien nach und nach in andere Wohnungen zogen.
Umnutzung zum Kulturzentrum
2008 gab der Balzner Gemeinderat grünes Licht für die Umnutzung des gesamten Pfarrhof-Areals zu einem Kulturzentrum. Der Auftrag für die Umbau- und Renovierungsarbeiten wurde nach einem Studienwettbewerb an das Maienfelder Architekturbüro Johannes Florin vergeben.
Nach 14 Monaten Bauzeit wurde am 17. September 2011 die Eröffnung des neuen Kulturzentrums von Balzers im Alten Pfarrhof mit einem Tag der offenen Tür gebührend gefeiert.